10. Oktober 2019
Verehrte Muslime!
Kein Mensch ist perfekt. Deshalb hat jeder von uns ab und zu einen guten Ratschlag nötig. Am besten ist es, wenn dieser Ratschlag von jemandem kommt, der wohlwollend, warmherzig und ausgewogen ist. Ohne die gutgemeinten Ermahnungen unserer Geschwister ist es nur schwer möglich, ein würdevolles Leben zu führen. Nicht ohne Grund sagte unser Prophet ﷺ kurz und knapp: „Dîn ist Nasîha“, oder mit anderen Worten „Religion ist guter Ratschlag.”[1]
Liebe Geschwister!
Wenn wir unseren Geschwistern, Verwandten oder Freunden einen Rat geben möchten, müssen wir dies mit Aufrichtigkeit tun. Denn Aufrichtigkeit ist die Voraussetzung einer guten Nasîha. In welchem Ton wir einen Rat geben, hängt ebenfalls von unserer Aufrichtigkeit ab. Wenn wir beispielsweise wollen, dass unser Gegenüber eine Sünde oder einen Fehler verlässt, müssen wir in einem wohlwollenden Ton zu ihm sprechen. Als Allah, der Erhabene, Mûsâ (a) und Hârûn (a) zum Pharao entsandte, sagte er ihnen: „Doch sprecht mit ihm auf sanfte Weise. Vielleicht lässt er sich ermahnen oder lernt, (mich) zu fürchten.“[2] Dies gilt für uns erst recht. Denn wir sind nicht besser als Mûsâ (a) und unser Gegenüber nicht schlimmer als Pharao.
Verehrte Muslime!
In der Sure Asr wird gesagt, dass jeder Mensch im Verlust ist. Nur wer glaubt, Gutes tut und zur Wahrheit und zu Geduld rät, ist davon ausgeschlossen. Dass wir uns gegenseitig zur Wahrheit ermahnen, ist eine Ermutigung, die von Herzen kommt. Sie ist ein Weg, unseren Geschwistern dabei zu helfen, von ihren Fehlern loszukommen. Wer eine Nasîha gibt, sollte außerdem auch zum Ausdruck bringen, dass es gut gemeint ist.
Wenn wir eine Nasîha in einem oberflächlichen, verurteilenden und herabsetzenden Ton äußern, kann das dazu führen, dass unser Gegenüber sich von Allah entfernt. Eine erniedrigende Nasîha beruht eindeutig auf Arroganz. Eine aufrichtige und gutgemeinte Nasîha hingegen geht aus Liebe und Barmherzigkeit hervor. Schließlich wurde unser Prophet ﷺ als eine Barmherzigkeit für alle Welten gesandt und ist für uns das schönste Beispiel darin.
Liebe Geschwister!
Wenn wir anderen einen aufrichtigen Rat geben, müssen wir selbst auch Ratschläge annehmen können. Denn Nasîha und Ermutigung sind ein Nehmen und Geben, und niemals einseitig. Einmal, als Umar (r) erfuhr, dass ein Mann zusammen mit seinen Freunden zuhause Alkohol trank, begab er sich zu dessen Wohnung, trat ein und sah wie er mit einer weiteren Person dort saß. Der Mann sagte zu Umar: „O Herrscher der Gläubigen! Das steht dir nicht zu! Allah hat verboten, andere auszuspionieren!“ Umar (r) reagierte überrascht und fragte: „Was sagt dieser Mann?“ Seine Gefährten entgegneten ihm, dass dieser im Recht sei. Daraufhin verließ Umar (r) das Haus des Mannes, denn dieser hatte Recht.[3]
Verehrte Muslime!
Wir wissen, dass Umar (r) ein mutiger und ehrenhafter Prophetengefährte war. Dass er die Nasîha voller Demut annahm, ist auf seine Treue gegenüber der Wahrheit und dem Guten zurückzuführen. Ganz gleich, ob wir eine Nasîha geben oder erhalten, für uns muss das Recht Allahs an erster Stelle stehen. Wir müssen uns darum bemühen, Allahs Recht zu wahren, indem wir dem rechten Weg folgen und anderen gegenüber aufrichtig und liebevoll sind. Dies ist die Voraussetzung einer guten Nasîha, die auch viel Geduld, Toleranz und Beständigkeit erfordert. Wir alle sind angewiesen darauf, an das Gute und die Wahrheit erinnert zu werden. Mögen wir zu jenen gehören, die aufrichtige Nasîha geben und annehmen können. Âmîn.
[1] Muslim, Îmân, 95
[2] Sure Tâhâ, 20:44
[3] Vgl. Musannaf Abdurrazzâk As-San’ânî (1983) 10/232 Hadith Nr. 18944