18. September 2020
Verehrte Muslime!
Wir alle möchten den Menschen nahestehen, die wir lieben und schätzen. Wir möchten immer Kontakt zu ihnen haben und uns mit ihnen unterhalten. Wir vermissen sie, wenn wir nicht bei ihnen sind und sie nicht sehen können. Ein Mumin, also ein Gläubiger, spürt diese Nähe allen voran zu Allah. Er möchte eine Beziehung zu ihm aufbauen. Das tägliche Gebet und unsere Duâs, also unsere Bittgebete, sind die schönsten Möglichkeiten dafür. Duâ ist, dass wir unsere Schwäche erkennen, Allah unsere Bedürfnisse und Wünsche mitteilen und für deren Erfüllung beten. Ob mit oder ohne Worte oder durch Taten; Duâ ist eine Kommunikation zwischen Allah und seinen Geschöpfen.
Wir Menschen sind nicht stark genug, um die Probleme und Schwierigkeiten des Lebens alleine zu bewältigen. Oft sind wir auf die Hilfe unserer Mitmenschen angewiesen. Manchmal aber befinden wir uns in so großer Not, dass uns niemand mehr helfen kann. In solchen Situationen brauchen wir jemanden, bei dem wir Schutz, Hilfe und Trost finden. Nur Allah, der Allmächtige kann uns dann noch helfen. Im Koran heißt es: „Wenn dich meine Diener nach mir fragen, siehe, ich bin nahe. Ich will dem Ruf des Rufenden antworten, sobald er mich ruft. Doch auch sie sollen meinen Ruf hören und an mich glauben; vielleicht schlagen sie den rechten Weg ein.“[1]
Allah sagt nicht etwa, dass er keine Zeit für seine Geschöpfe hat. Es braucht auch keines Termins, damit seine Geschöpfe mit ihm sprechen können. Allah erwartet ebenso wenig, dass wir unser Anliegen vor aller Augen vortragen. Unser Schöpfer hört uns und sieht uns jederzeit und überall. Mit diesem Bewusstsein beten wir zu Allah. Dieses Bewusstsein allein stärkt uns Menschen in schwierigen Lebenssituationen und schützt uns vor Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Einsamkeit.
Liebe Geschwister!
Sich seinem Schöpfer zuzuwenden liegt in der Natur des Menschen.
Es gibt wohl kaum einen Menschen, der nicht in irgendeiner Form betet. Für den Gläubigen ist der Duâ ein Teil seines Lebens. Aber auch wer nicht an Gott glaubt, betet; und zwar dann, wenn er mit einer Schwierigkeit konfrontiert wird. Viele Menschen, die von sich behaupten, nicht an Gott zu glauben, tragen Glücksbringer oder Schutzengel, Schmuck, Steine oder Stofftiere mit sich und erhoffen sich dadurch Hilfe und Schutz vor möglichem Bösen. Diese Erwartung zeigt, dass die Neigung zum Beten im Unterbewusstsein auch bei nicht gläubigen Menschen existiert.
Für uns ist Duâ ein großes Geschenk. Er stärkt uns angesichts der alltäglichen Probleme und Schwierigkeiten des Lebens. Er hilft uns dabei, unsere Prioritäten richtig zu setzen. Er erfüllt und bereichert unsere Ibâdas. Duâ ist ein wichtiges Mittel, um Allahs Liebe und Wohlgefallen zu erlangen. Wo es keinen Duâ gibt, wird es keinen inneren Frieden geben. Duâ hilft uns gegen Stress, Depressionen und Angst. Kurz: Der Duâ ist spirituelle Nahrung, er ist wie eine starke Medizin.
Verehrte Muslime!
Unser Prophet ﷺ sagte: „Wenn jemand einen Duâ spricht, antwortet ihm Allah in jedem Fall. Entweder gibt er ihm bereits im Diesseits, worum er gebeten hat, oder er bewahrt es für das Jenseits auf und vergibt ihm seine Sünden soviel wie er Duâ gesprochen hat – solange er nicht für etwas Sündiges oder um das Brechen von Verwandtschaftsbanden bittet und nicht ungeduldig wird (weil er gebetet hat und dies nicht erhört wurde).[2]
Manchmal scheint es so, als würden unsere Duâs nicht erhört werden. Das ist aber nur dem Schein nach so und sollte nicht zu Hoffnungslosigkeit führen. Allah antwortet allen Duâs, aber wie er darauf antwortet, ist seine Sache. Denn Allah ist weise und geht gemäß seiner Weisheit vor. So wie ein Arzt seinem Patienten nicht die Medikamente verschreibt, die sich sein Patient wünscht, sondern die, die er braucht. Allah gibt uns, was besser für uns ist. Es kann auch sein, dass unsere Duâs nicht angenommen wurden, weil die Zeit noch nicht reif dafür ist. Daran glauben wir fest, weshalb wir an unseren Duâs festhalten.
Möge Allah uns zu jenen zählen, die ihn in Wort und Tat anbeten.
[1] Sure Bakara, 2:186
[2] Tirmizî, Daawât, 133; Für den letzten Teil siehe auch Muslim, Zikr, 25