25. Juni 2021
Verehrte Muslime!
Nach dem Îmân ist unsere Gesundheit eine der größten Gaben Allahs, mit der uns Allah gesegnet hat. Unser Prophet ﷺ sagte: „Es gibt zwei Gaben, deren Wert von den Menschen unterschätzt wird: Gesundheit und freie Zeit.“[1] Wenn wir lange Zeit nicht krank werden, kann das schnell dazu führen, dass wir vergessen, was für eine große Gabe unsere Gesundheit eigentlich ist. Krankheiten sind eine Prüfung. Sie können unseren Körper befallen, aber auch unsere Psyche. Zu den psychischen Beschwerden gehören zum Beispiel soziale Phobien, Panik- und Angststörungen oder auch Depressionen. Auch wegen der Corona-Pandemie, die mit ihren Einschränkungen und Verboten seit mehr als anderthalb Jahren unser Leben einengt, werden immer mehr Menschen depressiv – auch Muslime.
Liebe Geschwister!
Auch Muslime können an Depressionen bekommen. Sie können in tiefe Trauer verfallen, wegen Schicksalsschlägen, Problemen und schweren Lasten, mit denen sie nicht umgehen können. Als die Götzendiener in Mekka sich über den Koran lustig machten, sandte Allah dem Propheten ﷺ folgenden Koranvers nieder: „Gewiss, wir wissen, dass deine Brust wegen ihrer Worte beklommen ist.“[2] Als unser Prophet ﷺ über den Zustand der Götzendiener im Jenseits nachdachte und tiefe Trauer empfand, sprach Allah zu ihm und sagte: „Vielleicht grämst du dich noch zu Tode, dass sie nicht gläubig werden.“[3]
Als unser Prophet ﷺ um seinen mit nur 18 Monaten verstorbenen Sohn Ibrâhîm trauerte, sagte er: „Die Augen tränen und das Herz trauert, doch wir sagen nur, was unserem Erhalter wohlgefällt! Wir sind über die Trennung von dir, o Ibrâhîm, gewiss sehr betrübt.“[4] Jeder Mensch kann solche Situationen durchleben, und niemand hat das Recht, ihn dafür zu verurteilen.
Verehrte Muslime!
Die Freude am Leben zu verlieren, Enge im Herzen zu verspüren, Schwierigkeiten bei der Bewältigung von alltäglichen Aufgaben zu haben und Gedanken wie etwa, dass das Leben keinen Sinn hat, sind normal, wenn sie nur für eine kurze Zeit da sind. Wenn sie aber lange anhalten und der Mensch sogar dazu neigt, sich selbst zu schaden, ist professionelle Hilfe nötig. Dafür sollte sich keiner schämen. So wie wir zum Arzt gehen, wenn wir Schmerzen haben, so ist es auch wichtig, sich bei psychischen Problemen professionelle Hilfe zu holen. In manchen Fällen ist das sogar unumgänglich. Vermehrt im Koran zu lesen, Allahs zu gedenken und Duâs zu sprechen wird uns mit zusätzlich helfen, unsere Spiritualität und Psyche zu stärken. Jeder Mensch durchlebt unterschiedliche Prüfungen. Trauer, Unglück, Stress, Druck, Gewalterfahrungen, Beleidigungen und schwere Krankheiten, aber auch die falsche Ernährung und wenig Schlaf können zu Depressionen führen. Ein Mensch mit Depressionen tut sich mit den einfachsten Dingen im Alltag schwer. Er meidet soziale Kontakte. Wenn er angerufen oder angeschrieben wird, möchte er nicht antworten. Es kommt oft vor, dass Menschen mit Depressionen von ihren Engsten nicht verstanden werden. Sie erkennen nicht, was diese Menschen innerlich durchleben und was der Grund ihres Verhaltens ist.
Liebe Geschwister!
Jeder Mensch möchte verstanden und geschätzt werden. Deshalb sollten wir immer ein offenes Ohr für unsere Familienangehörigen und Mitmenschen haben, ihnen aufrichtig zuhören und ihnen zeigen, dass wir ihnen auch zuhören möchten. Wir sollten mit ihnen warmherzig umgehen. Wenn sie sich zurückgezogen, mürrisch, aggressiv, angespannt, still oder introvertiert verhalten, sollten wir sie nicht allein lassen. Wir sollten ihnen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten zeigen, dass wir für sie da sind und ihnen beistehen.
An dieser Stelle möchten wir allen Geschwistern, die psychische Hilfe benötigen die Seelsorge-Hotline unserer Gemeinschaft empfehlen. Hier finden sie eine vertrauenswürdige Anlaufstelle.
Möge Allah uns vor allem Unheil und Unglück schützen. Möge er allen unseren Geschwistern, die unter Depressionen leiden, baldige Gesundheit und Heilung schenken. Mögen wir zu jenen gehören, die diesen Geschwistern tatkräftig beistehen. Âmîn.
[1] Buhârî, Rikâk, 1
[2] Sure Hidschr, 15:97
[3] Sure Schuarâ, 26:3
[4] Buhârî, Dschanâiz, 43, Hadith Nr. 1303